Courage Talk mit Karin Ricklin & Stephanie Briner
Ich wollte der Frage nachgehen, ob Job- und Topsharing Mut braucht, und wenn ja auf welche Weise. Die Antwort auf diese Frage und mehr Informationen zum Thema habe ich in meinem Courage Talk mit Karin Ricklin und Stephanie Briner, die WEshare1 GmbH seit Januar 2022 im Topsharing leiten, erhalten.
Karin Ricklin ist Gründerin der WEshare1 GmbH und Leiterin Human Resources bei Trafag AG. Sie ist passionierte Jobsharing und Topsharing Botschafterin. Stephanie Briner begleitet bei der Jörg Lienert AG Unternehmen in der Rekrutierung von Fach- und Führungspersonen. Dabei engagiert sie sich speziell für die Besetzung von Kaderpositionen im Jobsharing.
Für weitere Informationen zu Karin Ricklin und Stephanie Briner besuchen Sie ihre LinkedIn Profile.
Ich freue mich, mein Interview mit den zwei Power Ladies heute mit Ihnen zu teilen, in dem sie auf folgende Fragen eingehen:
Wer sind sie und was ist ihre Geschichte?
Was ist Mut für sie?
Braucht es Mut, um WEshare1 im Tandem zu führen? Wenn ja, auf welche Weise?
Ermöglicht Topsharing mutigere Entscheidungen?
Welche Bedenken und Ängste haben die “Teilenden“ in einem Job- oder Topsharing Modell?
Welchen Rat geben sie den Menschen mit, die gerne Job- und Topsharing ausprobieren möchten?
Wer inspiriert und ermutigt sie auf ihrem Weg?
takethecourage.com: Wer seid ihr und was ist eure Geschichte?
Karin Ricklin: Als überzeugte Sidepreneurin ziehe ich viel Freude und Energie daraus, unterschiedliche Karrieren nebeneinander zu verfolgen und dies mit meiner Familie in Einklang zu bringen. Seit dem Abschluss meines Psychologiestudiums bin ich nun mehr als 10 Jahren im Bereich Human Resources (HR) tätig und habe dabei schon öfter die Situation erlebt, dass eine Person zwar über viel Potential verfügt, dies aber nicht entfalten kann, da ein vollzeitnahes Pensum zwingende Voraussetzung dafür ist. Auch ich selbst erlebte, wie schwierig es sein kann, nach der Mutterschaft in Teilzeit eine verantwortungsvolle Stelle zu finden. Job- und Topsharing sehe ich als grossartige Möglichkeit, kreativ auf diese Herausforderungen zu reagieren und einen Mehrwert sowohl für Mitarbeitende wie auch Unternehmen zu bieten. In meiner HR-Rolle setze ich mich stark dafür ein, parallel dazu habe ich 2021 WEshare1 – die Anlaufstelle für Job- und Topsharing – gegründet und leite dieses seit Januar 2022 gemeinsam mit Stephanie im Topsharing. Damit sich all diese beruflichen Aktivitäten gut mit meiner Familie vereinbaren lassen, lebe ich Topsharing@home: Mein Mann und ich teilen uns die Verantwortung für Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Haushalt. Ausserdem werde ich meine Funktion als HR-Leiterin künftig ebenfalls im Topsharing ausüben.
Stephanie Briner: Auch ich trage verschiedene Hüte und mag die Parallelität verschiedener, sich ergänzender Tätigkeiten. Nach dem Kommunikationsstudium war ich über zehn Jahre in der Kommunikationsbranche tätig. Vor 4 Jahren wechselte ich die Branche und bin heute in der Rekrutierung von Fach und Führungspersonen tätig. Die Rekrutierung ist ein Schlüsselmoment in Bezug auf Gleichstellungsfragen im beruflichen Kontext. Das reizt mich an dieser Tätigkeit sehr. Fragen wie «Wie erreichen wir eine ausgewogene Geschlechterverteilung auf C-Level» treiben mich täglich um. So ist auch die Überzeugung gewachsen, dass Jobsharing und insbesondere Topsharing einen wertvollen Beitrag zu mehr Chancengleichheit leisten kann. Wir animieren Unternehmen wie auch Einzelpersonen, sich mit Jobsharing auseinanderzusetzen und den Mut aufzubringen, flexible Arbeitsmodelle in der Praxis umzusetzen. Mit Karin zusammen Weshare1 im Topsharing zu führen ist eine tolle Erfahrung und eine grosse Bereicherung für mich. So erhalte ich die Möglichkeit, nicht nur andere in der Umsetzung eines Topsharings zu begleiten, sondern die Erfahrung auch gleich selber zu machen. Auch lebe ich privat mit meinem Mann ein Topsharing@home: wir teilen uns die Verantwortung für Kinderbetreuung, Erziehung, Haushalt und Familienfreizeit und sind für unsere zwei Töchter mit gleicher Präsenz und Verantwortung da.
Was ist Mut für euch?
Stephanie Briner: Mut bedeutet für mich, die Komfortzone zu verlassen und – eben Mut aufzubringen – neue und auch unkonventionelle Wege zu gehen. Der meistbegangene Weg muss nicht automatisch auch immer der Beste und Sinnvollste sein. Beispielsweise besteht in vielen Familien ein Ungleichgewicht bezüglich Erwerbsarbeit und Care-Arbeit, was zu finanziellen und emotionalen Abhängigkeiten und Ungleichheiten führt. Viele Menschen wissen das, ändern aber dennoch nichts an den Umständen. Mut bedeutet für mich, diese Gewohnheit zu durchbrechen und sich zu getrauen, auch unbequeme Fragen zu stellen. Aber Mut kennt viele Facetten und kann ganz unterschiedlich definiert werden…
Karin Ricklin: Ich habe kurz im Duden nachgeschaut. Dort umfasst Mut entweder die «Fähigkeit, in einer gefährlichen, riskanten Situation seine Angst zu überwinden; Furchtlosigkeit angesichts einer Situation, in der man Angst haben könnte» oder grundsätzlich die «Bereitschaft, angesichts zu erwartender Nachteile etwas zu tun, was man für richtig hält.» Insbesondere das Einstehen für etwas, das eine Person für richtig hält, spricht mich sehr an. Dies muss für mich aber nicht per se an allfällige negative Konsequenzen gebunden sein, sondern kann auch mit Ungewissheit verbunden sein, Stichwort VUKA. Wir bewegen uns in einer Zeit, die geprägt ist von Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität. Dies hat insbesondere auch die Pandemie gezeigt. Es braucht Mut, in einem solch diffusen Umfeld Entscheide zu fällen und anschliessend dafür die Verantwortung zu übernehmen. Mit Mut verbinde ich ebenso Vertrauen; bei mutigen Entscheiden z. B. vertraue ich darauf, dass meine Einschätzung in diesem Moment korrekt ist.
Könnt ihr eine Situation nennen, in welcher ihr besonders mutig wart?
Stephanie Briner: Wichtiger als unser eigener Mut ist für uns die Rolle als Mutmacherinnen. Wir wollen möglichst vielen Menschen und Unternehmen Mut machen, Job- und Topsharing auszuprobieren. Und dies machen wir, indem wir Informationen aus den dafür relevanten Studien zusammentragen, uns selber an der Erarbeitung von Studien beteiligen und anhand vieler Beispiele u.a. im seeingisbelieving-Blog zeigen, dass das Modell funktioniert.
Karin Ricklin: Damit wir diese Rolle authentisch ausüben können, legen wir viel Wert darauf, das Modell auch selbst zu leben. Gelingt es uns, mittels «walk the talk» andere zum Nachahmen zu ermutigen, ist eines unserer Hauptziele erreicht.
Ihr führt seit Januar von diesem Jahr im Tandem WEshare1. Braucht es Mut? Wenn ja, auf welche Weise?
Karin Ricklin: WEshare1 neu im Tandem zu führen hiess für mich, ein Stück loszulassen und den Mut zu haben, mich auf diese enge Zusammenarbeit mit Stephanie einzulassen. Es bedeutet gleichzeitig auch, Stephanie zu vertrauen, obwohl wir uns nicht schon jahrelang kannten oder bereits in einem Team zusammengearbeitet haben. Um diese Risiken abzufedern, nahmen wir uns vor dem gemeinsamen Start ausreichend Zeit, unsere Werte und Visionen abzugleichen, Erwartungen zu diskutieren und das gegenseitige Vertrauen zu stärken. Hätte es an einem zentralen Punkt für eine von beiden nicht gestimmt, hätten wir das Ganze abgebrochen. Dies war uns beiden wichtig und trug dazu bei, dass wir uns schliesslich sehr bewusst für den Schritt in die Co-Leitung entschieden. Dennoch; eine 100% Garantie gibt es nie. Von daher braucht es eine gewisse Dosis an Mut und Vertrauen, diesen Schritt zu machen.
Stephanie Briner: Vertrauen in der Co-Leitung bedeutet auch, tolerant gegenüber anderen Herangehensweisen zu sein und eine gesunde Fehlerkultur zu leben. Fehler passieren und es findet sich immer eine Lösung, wenn mal etwas nicht rund gelaufen ist. Mut und Vertrauen sind für mich sehr eng miteinander verbunden. Nur wer Vertrauen hat, kann auch Mut entwickeln.
Denkt ihr, dass durch Topsharing mutigere Entscheidungen ermöglicht werden? Hättet ihr gerade ein Beispiel dafür?
Stephanie Briner: Ein vielgenanntes Argument für eine Co-Leitung ist die gemeinsame Entscheidungsfindung und das Verteilen der Verantwortung auf vier Schultern. Viele Job-Tandems berichten, dass die Qualität der Entscheide dadurch besser wird. Durch die gegenseitige Absprache brauchen Entscheide zwar mehr Zeit, diese «Vorlauf-Zeit» führt in vielen Fällen jedoch zu durchdachteren Entscheiden. In einer Co-Leitung werden Erfolge zusammen gefeiert und Misserfolge zusammengetragen. Dadurch entfällt das Gefühl des «einsam an der Spitze» stehen.
Karin Ricklin: Alexander Schmidt, den wir gemeinsam mit seiner Tandempartnerin Rahel Mauerer in unserem Blog portraitiert haben, fasst es so zusammen: «Der primäre Vorteil liegt für mich beim gemeinsamen Entscheiden. Dadurch, dass ich inhaltliche und personelle Entscheide zuerst mit Rahel diskutieren kann, erhalte ich ein besseres Gefühl dafür, ob meine Sichtweise stimmt. Geht es dann darum, den Entscheid gegen aussen zu rechtfertigen, bin ich nicht alleine damit. Das wirkt sich positiv aufs Selbstvertrauen aus und verringert die Unsicherheit bei wichtigen Entscheiden.»
Welche Bedenken und Ängste haben die “Teilenden“ normalerweise?
Stephanie Briner: Viele, die neu eine Co-Leitung antreten, fragen sich, „wie gehen wir damit um, wenn wir nicht gleicher Meinung sind?“ Diesbezüglich ist es wichtig, dass verschiedene Entscheidungs-Szenarien im Vorfeld (bevor eine schwierige Entscheidungssituation ansteht) besprochen werden. Weiter wird auch oft die Frage nach der „Akzeptanz“ einer Co-Leitung gestellt. Hierzu ist zu sagen, dass ganz wichtig ist, dass das Kommitment von der Unternehmensleitung oder von der vorgesetzten Person da ist. Ebenso wichtig ist, dass im Unternehmen eine Führungskultur gelebt wird, die kollaboratives Arbeiten und flache Hierarchien zulässt.
Karin Ricklin: Punkto Akzeptanz spüren Tandems sehr oft auch einen hohen Erwartungsdruck. Der sogenannte «Token Effekt» kommt hier ins Spiel; das Duo ist eines der Ersten im Unternehmen und spürt, dass nun sehr genau geschaut wird, wie es sich verhält, ob es erfolgreich ist oder nicht. Das kann Ängste auslösen. In solchen Situationen empfehlen wir, frühzeitig Unterstützung zu suchen. Dies kann z. B. in Form eines Erfahrungsaustauschs mit anderen Tandems sein oder auch mittels einer externen Beratung.
Welchen Rat oder Gedanken wollt ihr den Menschen mitgeben, die gerne Job- und Topsharing ausprobieren möchten?
Karin Ricklin: Informiert Euch umfassend darüber, was Job- und Topsharing bedeuten. Seid ehrlich mit Euch selbst und fragt Euch, ob Ihr in einem solchen Setting arbeiten wollt und könnt. Ist dies gegeben, dann stellt Euch diese Frage auch innerhalb des Duos; wollen und können wir das? Und dann heisst es eigentlich nur noch: mutig sein – sich selbst und einander vertrauen – ausprobieren!
Stephanie Briner: Und lasst euch inspirieren von Vorreiterinnen und Vorreitern (Beispiele im WEshare1-Blog).
Und jetzt zurück zu euch: Wer inspiriert und ermutigt euch auf eurem Weg? Habt ihr ein Vorbild?
Karin Ricklin: Ich habe nicht ein einziges Vorbild. In meinem Leben haben mich unterschiedliche Menschen beeindruckt und geprägt. Michael Sandel und seine legendären Vorlesungen zu «Justice» haben z. B. viel bei mir ausgelöst, ebenso Filme und Bücher zum Leben der Supreme-Court Richterin Ruth Bader Ginsburg. Besonders prägend für mich war und ist aber insbesondere der Psychiater und Schriftsteller Irvin D. Yalom. Sabine Gisingers Dokumentarfilm «Yalom`s Anleitung zum Glücklichsein» zählt – nebst dem Club der toten Dichter – zu meinen Lieblingsfilmen. Sehr inspirierend, sehr ermutigend.
Stephanie Briner: Ich liebe es, mich mit Menschen auszutauschen, die sich in einer anderen Lebensphase befinden oder einen anderen beruflichen, kulturellen oder sozialen Kontext mitbringen wie ich selbst. Solche Gespräche – oft mitten im Alltag – inspirieren mich sehr und regen mich an «out of the box» zu denken.
Wie möchten Sie Ihren weiteren Karriereweg gestalten, um ihr volles Potential in jeder Lebenslage zu entfalten und mutig voranzukommen?
Wäre ein Job- oder Topsharing etwa auch eine optimale Lösung für Sie?
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